Nutztiere in landwirtschaftlichen Entwicklungsprojekten

NGO-Befragung in Deutschland

In den Entwicklungsländern hängen die meisten der auf dem Land lebenden Menschen von der Landwirtschaft ab (Upton 2004). Dort stellt die kleinbäuerliche Nutztierhaltung den Schlüssel zum Lebensunterhalt der Landbevölkerung dar (Rota 2015). Doch wie ergeht es den Tieren in diesen Ländern, in denen die Menschen selbst kaum das Nötigste zum Überleben haben? Welche Rolle spielen dabei deutsche Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die landwirtschaftliche Projekte in Entwicklungs- und Schwellenländern planen, durchführen oder finanzieren?

Um einen Einblick in den derzeitigen Stand des Nutztiereinsatzes deutscher NGOs zu bekommen, führte die Welttierschutzstiftung im Rahmen des Projektes Tierwohl in der Entwicklungszusammenarbeit im Jahr 2019 eine zweiteilige Erhebung durch: Mithilfe einer qualitativen Vorstudie mit zehn Vertreter*innen aus Politik, Wissenschaft und NGOs in Deutschland sowie einer sich anschließenden halbstandardisierten Hauptbefragung, an der 18 NGOs und die GIZ teilnahmen, wurde erhoben, ob Akteur*innen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit den Einsatz von Nutztieren in Landwirtschaftsprojekten fördern. Ebenfalls war von Interesse, ob mit dem Einsatz begleitende und verpflichtende Maßnahmen für die lokalen Partnerorganisationen und Tierhalter*innen einhergehen, die das Wohlergehen der Tiere sicherstellen – zum Beispiel durch entsprechende Schulungen, durch Unterstützung bei der Futtermittelbeschaffung oder bei der tiermedizinischen Versorgung. Parallel dazu berichteten drei afrikanische Projektpartner der Welttierschutzstiftung schriftlich über die in ihren Ländern typischen Herausforderungen beim tiergerechten Umgang der Menschen mit ihren Nutztieren.

Zentrale Ergebnisse der Erhebung

Fast alle befragten NGOs fördern den Einsatz von Nutzieren

Die Analyse des derzeitigen Nutztiereinsatzes in Entwicklungsprojekten deutscher NGOs hat ergeben, dass 90% der befragten Organisationen Tiere in ihren Landwirtschaftsprojekten einsetzen – wobei der Anteil der nutztierbezogenen Projekte an der jeweiligen Gesamtzahl an Projekten stark variiert. Insgesamt unterstützen die befragten NGOs 233 Projekte mit Nutztierbezug. Alle NGOs setzen Geflügel ein, dicht gefolgt von Ziegen und Rindern.

Tierschutzmaßnahmen laufen eher nebenbei

Abgesehen von einer Ausnahme verfügt jedoch keine der befragten Organisationen über konkrete, verpflichtende Vorgaben zur Nutztierhaltung, an die sich die lokalen Projektpartner*innen und Kleinbäuerinnen und Kleinbauern halten müssen. Vereinzelt finden bei einigen NGOs Tierschutzmaßnahmen statt, dabei handelt es sich jedoch nicht um ganzheitliche Konzepte zum Schutz der Tiere. Für die inhaltliche Gestaltung und Umsetzung der Einzelmaßnahmen werden wiederum vor allem die Partnerorganisationen vor Ort in der Verantwortung gesehen. Die meisten der NGOs begleiten daher den Einsatz der Tiere weder inhaltlich noch strukturell oder kontrollierend. Oftmals fehlt es ihnen an entsprechendem Know-how sowie an Kapazitäten für die Bearbeitung dieses speziellen Themas.

NGO-eigene Guidelines zum Wohl der Nutztiere vorstellbar

Knapp mehr als die Hälfte der Befragten sieht Verbesserungspotential in der eigenen Organisation. Für rund zwei Drittel ist unter bestimmten Umständen die Einführung NGO-eigener Guidelines zum Wohl der Nutztiere vorstellbar. Generell wünschen sie sich Orientierungshilfen, Handlungsanleitungen und einfache Handhabungen zum Thema – sowohl für sich selbst als auch für die Partnerorganisationen vor Ort. Es werden Workshops für NGOs und Geber, ein Erfahrungsaustausch mit anderen NGOs sowie offene Diskussionen mit den Länderbüros, lokalen Projektmitarbeiter*innen und Partnerorganisationen als weitere Vorschläge zur Vertiefung des Themas eingebracht.

Tierwohl gehört auch auf die Agenda der Entwicklungspolitik

Rund 80% der Befragten beziehen für ihre Nutztierprojekte Fördermittel von deutschen Ministerien. Ob es entsprechende Vorgaben der Ministerien für den Nutztiereinsatz in den finanzierten Entwicklungsprojekten gibt, wird von der Mehrheit der Befragten entweder verneint oder als unbekannt kommentiert. Dementsprechend sehen 95% der NGOs ebenfalls die Politik in der Verantwortung, sich stärker mit dem Tierwohl von Nutztieren in der Entwicklungszusammenarbeit zu befassen. Eine Möglichkeit wird in verbindlichen Normen durch den Geber gesehen, verbunden mit einer entsprechenden Fördermittelvergabe.

Die Welttierschutzstiftung liefert mit dieser Studie und den darin aufgezeigten Herausforderungen einen wichtigen Beitrag dazu, das Thema Tierwohl verstärkt in den Fokus der deutschen Entwicklungszusammenarbeit zu rücken und den tiergerechten Umgang mit Nutztieren als notwendigen Teil einer nachhaltigen, ressourcenschonenden, kleinbäuerlichen Landwirtschaft  einzubeziehen.

» Executive Summary (PDF, 371 KB)
» Infografik mit den zentralen Ergebnissen (PDF, 1.557 KB)
» Zum Programm Tierwohl in der Entwicklungszusammenarbeit

 

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Quellen:
Rota, A. (2015): Smallholder Livestock Development. Scaling up note. Rome: IFAD.
Upton, M. (2004): The Role of Livestock in Economic Development and Poverty Reduction. Pro Poor Livestock Policy Initiative, Working Paper No. 10, Rome: FAO.

Ihre Ansprechpartnerin:

Karin Siegmund
Vorständin der Welttierschutzstiftung

Tel.: +49(0)30 – 9237226-0
E-Mail: ks@welttierschutz.org